Statements
Hanspeter Gschwend
Schriftsteller, Roveredo
Figürliche Skulptur, Landschaften, Abstraktion – diese Ausdrucksbreite steht bei Barbara Babo nicht für Orientierungslosigkeit. Was sie will, ist das, was einst Alberto Giacometti von seiner künstlerischen Arbeit sagte: Eine Plastik sei ein Mittel, ein bisschen besser zu verstehen, was er zum Beispiel an einem Kopf sehe. Und von seiner Malerei sagte er, sie sei ein Mittel “mit dem ich versuche, zu verstehen, was mich an irgendeiner Person, irgendeinem Baum oder irgendeinem Gegenstand anzieht und in Bewunderung versetzt.”
Nicht der Stil, nicht das Material, nicht die Technik ist bei Barbara Babo entscheidend, sondern das, was sie an einem Menschen, einer Landschaft, einer Situation bewegt. Was sie bewegt, das drückt sie mit den Mitteln aus, die für sie im Augenblick gerade die richtigen sind. Und deshalb arbeitet Barbara Babo nie nach einem Modell, sondern nach einer Erinnerung. Einer Erinnerung an eine Landschaft, eine Leidenschaft, einen Verlust, eine Begeisterung. Das Gesamtwerk ist ein vielseitiges und vieldeutiges Ganzes – vielseitig und vieldeutig wie unsere Welt und unser Leben.
Ueli Bär
Künstler, Küsnacht
Es ist gerade dieses unmittelbare Angesprochensein, das berührt. Diese Kunst braucht keine Gebrauchsanleitung und keinen abgehobenen philosophischen Überbau. Auch ohne dies werden wir direkt mit unseren existentiellen Gefühlen konfrontiert: Sinnliche Erfahrung, Mitgefühl, Stärke und Schwäche unseres menschlichen Daseins. Und so gleitet dieses Werk auch nicht ab ins Beliebige.
Und noch etwas anderes hat mich für Barbaras Kunst eingenommen: diese Art von Zeitgeist-Verweigerung, dieses unbeirrte Agieren ausserhalb der heute gängigen Normen. Hier ist jemand am Werk, der nicht versucht, auf modische Tendenzen aufzuspringen. Ich glaube, hinter ihrem Werk verbirgt sich mehr Widerstand gegen eine von ungebremster Technikgläubigkeit und Kommerz beherrschten Welt als in vielen Arbeiten bekannter Künstler, die diese Attribute plakativ vor sich hin tragen.
Prof. Claudio Guarda
Kunstkritiker, Locarno
Man spürt in den frühen Bildern Barbara Babos die Nähe zu ihrem bildhauerischen Werk, die Anspielung auf die Körperlichkeit der Formen, so augenfällig wie in ihren Skulpturen von Frauen und Männern, die im Fluss des Lebens gefangen sind. Gleichzeitig war aber bereits die Absicht klar zu erkennen, über die Natürlichkeit der Dinge hinauszugehen, Raum für eine Natur zu lassen, die nicht kopiert, sondern durch einen bereits abstrahierenden Blick gefiltert ist. Es lässt sich, in den Formen mehr als in den Farben, eine Parallele zu gewissen Bilder Vallottons oder auch des italienischen magischen Realismus ziehen, die sich durch eine Suche nach Wesentlichkeit auszeichnen, in der innerhalb einer offenbar realistischen Darstellung Atmosphären des Traums oder verschleierte Melancholie wahrnehmbar sind.
Mit zunehmender malerischer Autonomie hat Barbara Babo das Naturalistische stärker zurückgestellt zugunsten einer impliziten, emotionalen Figuration der Anspielungen. Augenfällig werden nun die Übereinstimmungen mit dem informellen Naturalismus an der Schwelle zur Abstraktion, aber von lyrischer Intensität: Mit dieser künstlerlichen Sprache, und mit grosser Freiheit in der Geste, der Materie und der Farbe, bringt sie das eigene Existengefühl zum Ausdruck, die Eindrücke des Lebens in seinen Themen und Subjekten: Territorien der Welt, aber auch der Seele und des Unbewussten, die sich auf die Leinwand übertragen.
Rudi Bindella
Kunstsammler und Gastronom, Zürich
Eigenwillig.
Unbeirrbar.
Alles aus eigenen Kräften erreicht und erschaffen.
Der inneren Be-Rufung folgend.
Herzenhören.
Was für ein Weg!
Die Italiener nennen das Klavier „Pianoforte“.
Laut-leise.
So höre und fühle ich die Werke von Barbara.
Spannungsgeladen.
Kleine Wunder der Natur einfangend.
Der Lebensfreude gewidmet.
Mit den Augen für das Schöne.
Max Jäger
Künstler, Pfäffikon
Barbara Babo ist eine Künstlerin, die das Leben befragt und nach Balance sucht. Ihre Werke zeugen von tiefem Humanismus, für die Fähigkeit der Hingabe, für die volle Bejahung des Lebens und von allem Lebendigen. Die Anbetung des Mechanischen, der abstrakten Form, ist ihr fremd.
So spricht sie die Menschen unvermittelt an, ihre Werke werden persönlich, ihre Fragen bleiben nicht länger privat. Ihre Szenen und Situationen sind jene, die uns im Tun und Verhalten immer wieder einholen. Kunst als Lebensschule.
Daniele Muscionico
Kulturjournalistin, Zürich
Die Plastikerin Babo foutiert sich um die Regeln des Systems und den Kanon der Szene. In ihrem Atelier entstehen, ohne Modelle und ohne Skizzen, Gipsskulpturen von Liebespaaren und extrovertierten Geschlechtsgenossinnen, sorglos Sinnliche, sinnlos Laszive. Die frechen Frauen einer frechen Frau.
… Barbara Babo steht für eine Renaissance figürlicher, gegenständlicher Darstellung, einer neuen bürgerlichen Kunst. Im 19. Jahrhundert war die bildende Kunst wichtiger Bestandteil der bürgerlichen Welt geworden, Symbol und Medium gesellschaftlicher Identität. Doch seit der Nachkriegszeit war sie verschrien, waren Kunst und Bürgertum sich gegenseitig suspekt. Nun löst sich langsam die Gegenständlichkeit von ihrem Stigma, und was im letzten Jahrhundert noch unter Kitschverdacht stand, besitzt seit einigen Jahren wieder einen Wert.
Denn bürgerliche Kunst ist heute, was Untergrundkunst damals war, sie gehorcht keinen Marktmechanismen, Galeristenhysterien und keinem Zeitgeistgedöns… Barbara Babo ist das Paradox der Zukunft: Sie ist der Schrecken jeder akademischen Institution – und wird gesammelt. Sie macht bürgerliche Kunst – und ist doch eine Autonome der ersten Stunde.
Yvonne Türler-Kürsteiner
Kunsthistorikerin, Zürich
Im Zentrum von Barbara Babos bildhauerischem Schaffen steht das Menschsein in all seinen Facetten. Erotik, unbeschwerte Heiterkeit und Tragik schliessen sich nicht aus, sondern ergänzen sich zum Lebensfries. Das Verspielt-Heitere verkörpern skurril schöne Mischwesen wie etwa »Venedig», die vogelgleich maskiert Einherstolzierende, oder «Honey Bunny», die unbeschwert Einherhüpfende im Hasenkostüm. Aber auch Bodenständigerem wie «Spätes Glück» oder «Die Verehrer» ist der feine Humor nicht abzusprechen. Motive der Trauer, Erschöpfung oder Besinnung, wie «Rückzug» oder «Danach», sind meist etwas kleiner im Format, aber gross in der Wirkung.
Die Bildhauerin lässt sich von Intuition und Beobachtung, nicht von intellektuellen Konzepten leiten. Zufällige Begegnungen, Zeichen der Freundschaft, eine Umarmung, ein versteckter Blick, eine kleine Geste, das sind die Dinge, die sich im täglichen Umgang mit Menschen in ihr bildnerisches Gedächtnis einbrennen und beim Modellieren unbewusst Gestalt annehmen. Erst wenn ihr eine ihrer Tonskulpturen in die Augen blickt, kommt es gelegentlich vor, dass sie sich bewusst wird, wer ihr da ungefragt Pate gestanden hat. Denn die Künstlerin arbeitet ausnahmslos spontan, ohne Skizzen, ohne Modell und sehr schnell. Auch darin liegt wohl ein Grund für die berührende Unmittelbarkeit ihrer Skulpturen.
Und Barbara Babo beherrscht das solide Handwerk, ihre Arbeit wurzelt in der bildhauerischen Tradition. Beim Anblick von «Die Tänzerin» mit dem Röckchen aus Beton-Bindedraht taucht unwillkürlich Degas «Tänzerin von 14 Jahren» mit dem Tüll-Tutu auf, bei anderen Arbeiten denkt man an Auguste Rodin und Camille Claudel, oder wie bei der Rückenansicht von «Private Party» oder «Neugier» auch an eine jener unnahbaren Odalisken von Jean Dominique Ingres.
Barbara Babos Skulpturen sprechen eine bewährte Sprache, sind in Haltung und Ausdruck aber ganz von heute und zeichnen ein ebenso klarsichtiges wie poetisches Menschenbild der Gegenwart. Sie sind durch und durch Kinder unserer Zeit, die freche Röckgöre «Gina», die Halbweltdame «Olivia» oder die unbeschwerte «Olga» bei ihrem Sprung ins kalte Wasser. Und die ebenso heillos verbundenen wie innig zerrissenen Paare zwischen Zuneigung und Ablehnung, Sehnsucht und Irritation? Auch sie sind uns geläufig. Man erkennt sich da und dort wieder und wird sich bewusst, dass hier authentische und gelegentlich erschreckend wahrhaftige Gefühle abgerufen werden. Unbewusstes ist Gestalt geworden.